Sozialtherapie bei Eltern-Kind-Entfremdung
Eltern-Kind-Entfremdung kann oft durch Trennung, Scheidung oder anhaltende Konflikte innerhalb dem System „Familie“ entstehen. Kinder können dabei emotional in Loyalitätskonflikte geraten, und der Kontakt zu einem Elternteil kann abbrechen oder stark belastet sein. Meist wird nicht die ICD-10 Diagnose »Z62« oder »Z62« zu den »F-Diagosen« der Kinder oder Eltern aufgeschrieben. Es bleibt jedoch wichtig, diese Diagnosen „sichtbar“ für die Familiengerichte und die Jugendämter sichtbar zu machen. Dies halte ich für erforderlich, damit ein Wandel und Antrag nach §35a SGB VIII den Kindern, Jugendlichen und deren Eltern zur notwendigen Hilfe und Unterstützung verhelfen kann.
Meine Sozialtherapie soll in solchen Situationen einen geschützten Rahmen, um Kommunikation, Vertrauen und Beziehungsfähigkeit schrittweise wiederherstellen. Rechtsgrundlage meiner Tätigkeit stellt der § 9a SGB VIII dar.
Meine sozialtherapeutische Arbeit orientiert sich an den Grundsätzen des § 9a SGB VIII. Dieser Paragraph betont die Bedeutung von Familienberatung, Unterstützung und Begleitung zur Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz und zur Sicherung des Kindeswohls.
Im Rahmen dieser gesetzlichen Grundlage arbeite ich mit Eltern, Kindern und beteiligten Institutionen zusammen, um tragfähige Lösungen zu fördern, Kontakte zu stabilisieren und Konflikte im Interesse des Kindes zu reduzieren. Die sozialtherapeutische Begleitung versteht sich dabei als fachlich strukturierte, nicht-heilkundliche Hilfeform im Sinne der Kinder- und Jugendhilfe.
Ziele der sozialtherapeutischen Arbeit
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Förderung einer sicheren und stabilen Eltern-Kind-Beziehung
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Unterstützung beim Abbau von Kontaktblockaden und Ängsten
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Stärkung der elterlichen Verantwortung und Kommunikationsfähigkeit
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Begleitung im Aufbau tragfähiger Umgangsstrukturen
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Entlastung des Kindes durch klare, verlässliche Absprachen
Arbeitsweise und Methodik
Die sozialtherapeutische Begleitung kombiniert Elemente aus systemischer Beratung und kognitiv-verhaltenstherapeutischer Arbeit. Im Mittelpunkt steht die praktische Umsetzung von Lösungen im Alltag – immer mit dem Ziel, das Kindeswohl zu fördern und Eltern in ihrer Erziehungsrolle zu stärken.
Methodische Schwerpunkte:
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Gesprächsführung und Reflexion mit Eltern und ggf. Kind
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Förderung von Empathie, Perspektivwechsel und Selbstwahrnehmung
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Erarbeitung gemeinsamer Ziele zur Kontaktgestaltung
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Kooperation mit Jugendämtern, Beratungsstellen und weiteren Fachstellen
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Strukturierte Begleitung bei der Wiederannäherung zwischen Eltern und Kind
Rahmenbedingungen
Die sozialtherapeutische Arbeit erfolgt freiwillig, vertraulich und lösungsorientiert. Sie ersetzt keine Psychotherapie oder gerichtliche Maßnahme, sondern versteht sich als ergänzende Unterstützung im Sinne einer präventiven, ressourcenorientierten Hilfe zur Stärkung der familiären Bindung.
Sozialtherapeutische Fallarbeit bei Eltern-Kind-Entfremdung im Jugendalter
Ausgangslage (Fallbeispiel)
Ein 16-jähriger Jugendlicher lebt nach längerer familiengerichtlicher Auseinandersetzung mit seinem Vater. Er hatte zuvor eine Unterstützung durch einen Erziehungsbeistand (§ 30 SGB VIII). Der Kontakt zur leiblichen Mutter ist abgebrochen. Geschenke und Post werden jedoch angenommen, Versuche der Mutter, in Kontakt zu treten, bleiben erfolglos.
Die Situation verursacht auf beiden Seiten emotionale Belastung und Unsicherheit.
Sozialdiagnostischer Hintergrund
Die Problematik lässt sich in Anlehnung an ICD-10 / ICD-11 unter dem psychosozialen Belastungskontext Z63 – Schwierigkeiten in der primären Unterstützungsgruppe, einschließlich familiärer Umstände einordnen. Hierunter fallen Kommunikationsabbrüche, Loyalitätskonflikte und familiäre Entfremdung.
Rechtlicher Rahmen nach SGB VIII
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§ 9a SGB VIII: Betont die Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz und die Unterstützung familiärer Beziehungen.
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§ 10 SGB VIII: Regelt das Verhältnis zu anderen Leistungssystemen, wodurch sozialtherapeutische Begleitung ergänzend zu Hilfen nach dem SGB VIII wirksam werden kann.
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§ 17 Abs. 2 SGB VIII: Unterstützt Eltern bei der Bewältigung von Trennung und Scheidung sowie beim Erhalt der Eltern-Kind-Beziehung.
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§ 18 Abs. 3 SGB VIII: Betont das Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen und die Förderung dieses Kontakts durch fachliche Hilfen.
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Diese Paragraphen bilden den Rahmen für sozialtherapeutische Maßnahmen, die Bindungen sichern, Kommunikation fördern und Eskalationen vorbeugen.
Epikrise (fachliche Zusammenfassung)
Im vorliegenden Fall zeigen sich Kommunikationsabbrüche und emotionale Distanz als Folge länger andauernder Konflikte. Der Jugendliche grenzt sich stark ab, um seine Eigenständigkeit zu sichern, während die Mutter mit Zurückweisung und Kontaktverlust konfrontiert ist. Beide erleben sich in einem festgefahrenen Beziehungssystem, das durch Misstrauen und Überforderung geprägt ist.
Sozialtherapeutisch steht im Mittelpunkt, diese Blockade als dynamischen Prozess zu verstehen – nicht als endgültigen Zustand. Ziel ist, emotionale Sicherheit und Vertrauen wieder aufzubauen, ohne Druck oder Schuldzuweisung.
Lösungsansatz – Sozialtherapie als Brücke
Die sozialtherapeutische Begleitung bietet beiden Seiten einen strukturierten, wertungsfreien Rahmen.
Ziele und Maßnahmen:
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Stabilisierung beider Parteien durch Einzel- und ggf. gemeinsame Gespräche
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Förderung emotionaler Selbstregulation und Perspektivwechsel
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Arbeit mit narrativen Methoden, um gegenseitiges Verstehen zu ermöglichen
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Entwicklung kleiner, realistischer Kontaktformen (z. B. schriftlich, vermittelt, symbolisch)
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Koordination mit Jugendhilfe und ggf. Schulen oder Beratungsstellen
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Schutz der Eigenständigkeit des Jugendlichen bei gleichzeitiger Offenhaltung der Beziehungsoption
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Integration agiler Methoden in die Sozialtherapie
Zur Strukturierung komplexer Prozesse nutze ich agile Prinzipien aus der Projektarbeit, insbesondere SCRUM. Diese werden auf die sozialtherapeutische Begleitung übertragen:
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Product Backlog → Zieldefinitionen: Gemeinsame Erarbeitung konkreter Entwicklungsziele (z. B. Kommunikationsfähigkeit, Kontaktbereitschaft).
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Sprint-Planung: Kurze Interventionsphasen (z. B. 3–4 Wochen) mit klaren Aufgaben für Mutter und Sohn.
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Daily / Weekly Check-ins: Kurze Reflexionen zur Fortschrittskontrolle und Anpassung der Vorgehensweise.
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Sprint Review: Gemeinsame Auswertung, was funktioniert hat und was angepasst werden muss.
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Retrospektive: Reflexion der Zusammenarbeit, um Lerneffekte sichtbar zu machen und Verantwortung zu fördern.
Durch diese agile Struktur entsteht Transparenz, Beteiligung und Eigenverantwortung, die Vertrauen wieder aufbauen kann – ein zentrales Ziel der Sozialtherapie bei Entfremdungsdynamiken.
Zielperspektive
Langfristig soll die sozialtherapeutische Begleitung ermöglichen, dass der Jugendliche seine Autonomie wahrt und dennoch Zugang zu familiären Bindungen behält, dass die Mutter ihre Kontaktversuche an den Entwicklungsstand des Sohnes anpassen kann, und dass die Kommunikation in kleinen, stabilen Schritten wieder aufgebaut wird.
Die Arbeit erfolgt stets ressourcenorientiert, vertraulich und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen des SGB VIII.
Für Fragen, Anregungen oder Unterstützung kannst du dich jederzeit an uns wenden – wir sind für dich da!